In diesem Artikel stelle ich die 6 PDA-Phasen vor - vom Chaos bis zur Eigenständigkeit. Sie geben einen groben Überblick über den möglichen Verlauf von "Pathological" Demand Avoidance - wenn es erkannt & passend begleitet wird. PDA ist ein Spektrum - die einzelnen Phasen können individuell ganz unterschiedlich aussehen und hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Einzelne Phasen können Monate oder sogar Jahre dauern und der Prozess ist nicht linear. PDA-Betroffene können sich in mehreren Phasen gleichzeitig befinden, zwischen ihnen hin und her springen und unerwartete Fortschritte sowie Rückschritte erleben.
Was ist PDA - das Profil im Autismus-Spektrum?
Die Forschung zu "Pathological Demand Avoidance" oder auch "Pervasive Drive for Autonomy" steckt noch in den Kinderschuhen, PDA wird aber nach derzeitigem Wissensstand dem Autismus-Spektrum zugeordnet. Menschen mit PDA erleben bei einem Autonomieverlust ein starkes Gefühl von "Anxiety" - einer Stressreaktion, die auf eine Nervensystem-Dysregulation zurückzuführen ist. Auch wenn Pathological Demand Avoidance im englischsprachigen Raum schon seit den 1980er Jahren bekannt ist, findet es in Deutschland, Österreich & der Schweiz erst langsam Bekanntheit und wird häufig auch kritisch betrachtet. Betroffene haben meist einen langen Leidensweg hinter sich, daher ist es wichtig, über diesen Teil des Autismus-Spektrums aufzuklären.
PDA-Phase 1: CHAOS
Deine Familie steckt mitten in der Krise - du bist überfordert, ratlos & erschöpft. Dein Kind kämpft um Autonomie & vermeidet jegliche Anforderung. Themen wie Hygiene, Schlaf, Essen oder der Schulbesuch sind problematisch. Meltdowns bzw. Shutdowns stehen an der Tagesordnung.
Konventionelle Erziehungsmethoden funktionieren nicht & das Umfeld reagiert verständnislos - vor allem wenn dein Kind im Außen "maskiert" und dadurch möglicherweise völlig unauffällig ist.
PDA-Phase 2: WENDEPUNKT
Du stößt auf PDA und plötzlich macht alles Sinn. Du realisierst, dass dein Kind eine andere Neurobiologie hat und die Ursache für das Verhalten deines Kindes ein Nervenssystem im Dauer-Überlebensmodus ist. Schon allein das Verständnis dieser Tatsache kann ALLES verändern.
Du musst dich nicht länger schuldig für das Verhalten deines Kindes fühlen und kannst mehr Verständnis & Mitgefühl aufbringen - für dein Kind & dich selbst.
PDA-Phase 3: KRISENMANAGEMENT
Nun heißt es Prioritäten zu setzen, um das Nervensystem deines Kindes wieder mehr ins Gleichgewicht zu bekommen. Dabei können kleine oder große Veränderungen nötig sein. Die wichtigsten Punkte: Vertrauen aufbauen, Autonomie ermöglichen, Anforderungen senken, Co-Regulation
Diese Phase ist sehr herausfordernd - daher ist es wichtig, bestmöglich für dich selbst zu sorgen.
PDA-Phase 4: NEUES NORMAL
Der Alltag ist an die Bedürfnisse des Kindes angepasst, die PDA-sensible Begleitung zeigt erste Erfolge, das Chaos lichtet sich allmählich und alles fühlt sich wieder etwas leichter an. Gratuliere! Du hast einen großen Schritt geschafft und darfst dich feiern – wenn du noch Energie dafür hast.
Aber Achtung! Auch wenn die Situation besser ist - so weitermachen wie früher ist keine Option. Gleichzeitig ist es nicht ratsam, aus Bequemlichkeit oder Erschöpfung dauerhaft alle Anforderungen zu reduzieren, denn das bremst Wachstum ein.
PDA Phase 5: ENT-WICKLUNG
Gehirne verändern sich (Neuroplastizität), Körper und Seele können heilen! PDA bedeutet nicht automatisch ein Leben mit 100 % Autonomie, No-/Low-Demand und Co-Regulation. Auch Menschen mit PDA können wachsen, lernen und sich weiterentwickeln. In diesem Zusammenhang gefällt mir das Wort Ent-Wicklung gut, denn es bedeutet Entwirrung von Verstrickungen.
Wenn der Überlebensmodus nicht mehr dauerhaft aktiviert ist, wird (Selbst-)Therapie möglich - allerdings freiwillig, selbstbestimmt & in Kooperation (mit wenigen Ausnahmen).
PDA-Phase 6: EIGENSTÄNDIGKEIT
Im regulierten Zustand sind Menschen mit PDA wieder mehr bereit für die Welt und es wird Zeit, loszulassen (auch wenn das nach jahrelander Co-Regulation nicht immer einfach ist). Deine Aufgabe ist es nun, dein Kind dabei zu unterstützen, seinen Weg zu finden, auf seine Kompetenz zu vertrauen und da zu sein, wenn du gebraucht wirst.
Durch eine PDA-sensible Begleitung und die Reifung des Gehirns sind die Prognosen für PDA gut und viele Menschen mit PDA-Autismus können ein eigenständiges Leben führen. Sollten weitere beeinträchtigende Neurodivergenzen, (psychische) Erkrankungen oder unverarbeitete Traumata bestehen, können sie aber auch lebenslang auf Unterstützung oder Therapie angewiesen sein. Ziel ist es, die bestmögliche Lebensqualität für die individuelle Person zu erreichen.
Der Schlüssel zur Veränderung
Steckst du mitten in der Krise, kann es schwerfallen, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wir sind allerdings überzeugt davon, dass ein großer Teil der Menschen mit PDA ein glückliches und erfolgreiches Leben führen können. Dafür ist es jedoch essenziell, das gewohnte Leben zu hinterfragen, unbequeme Entscheidungen zu treffen und den Alltag anzupassen.
Der Schlüssel zur Veränderung liegt besonders anfangs nicht bei unseren Kindern, sondern bei uns selbst. Eine PDA-sensible Begleitung bedeutet in erster Linie, Vertrauen aufzubauen und die Beziehung zu stärken, um dann schrittweise gemeinsam Lösungen für bestehende Herausforderungen zu finden.
Mit viel Liebe, Geduld und in kleinen Schritten kommst du letztendlich ans Ziel. Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon – und dabei ist es wichtig, dich selbst gut zu stärken.
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Quellen
Der Gedanken der PDA-Phasen ist inspiriert durch Inhalte von Dr. Naomi Fisher, Eliza Fricker, Prof. Tony Attwood und Dr. Michelle Garnett sowie unseren persönlichen Erfahrungen.
Disclaimer
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