Pathological Demand Avoidance (PDA) ist eine Form des Autismus, die oft mit Merkmalen wie Masking, intensiver Fantasie und einer Vorliebe für Rollenspiele verbunden ist. Diese Eigenschaften können sowohl eine Stärke als auch eine Herausforderung sein. In diesem Artikel, Teil unserer Reihe „PDA verstehen“, beleuchten wir, wie diese Aspekte miteinander verbunden sind und wie sie sich auf den Alltag auswirken können.
Masking bei PDA: Was bedeutet das?
Masking, also das Verbergen der eigenen Schwierigkeiten oder Anpassung an soziale Normen, ist bei PDA häufig. Es kann durch spezifische PDA-Merkmale gefördert werden:
- Schwierigkeiten in sozialer Interaktion und Kommunikation
- Starker Fokus auf soziale Kontakte (oft auch als Spezialinteresse)
- Neigung zu Fantasie und Rollenspiel, häufig im Zusammenhang mit Freeze- oder Fawn-Reaktionen.
PDA-Autisten nutzen Masking und Rollenspiel oft, um soziale Herausforderungen auszugleichen und dazuzugehören.
rollenspiel als "überlebensstrategie"
Viele PDA-Autisten entwickeln eine starke Fähigkeit, Rollen zu spielen, was ihnen hilft, in sozialen Situationen zurechtzukommen. Hier sind einige Beispiele:
- Herausragende Schauspieler, auch beruflich
- Freude am Rollenspiel oder Vortäuschen von Rollen
- Übernahme von Autoritätsrollen (z. B. Polizist, Lehrer, Elternteil)
- Nachspielen von Szenen aus Serien, Filmen oder Videospielen
- Erschaffen und Ausleben von Fantasiewelten
- Kommunizieren durch Spielzeug oder Requisiten (z. B. Stofftiere)
- Kopieren Menschen, z. B. weil sie von ihnen fasziniert sind
Beispiel aus dem Alltag: Ein Kind mit PDA könnte vorgeben, ein Tier zu sein, um unangenehmen Situationen auszuweichen oder Kommunikation auf spielerische Weise zu gestalten.
Zwei Gesichter: Masking im Alltag
PDA-Autisten zeigen häufig unterschiedliche Verhaltensweisen, je nachdem, in welchem Umfeld sie sich befinden:
- Zu Hause: Explosiv oder impulsiv im sicheren Umfeld
- In der Schule: Anpassung und Masking, um nicht aufzufallen
Diese „zwei Gesichter“ führen häufig zu Missverständnissen, insbesondere zwischen Lehrkräften und Eltern. Viele Eltern berichten, dass ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie Schwierigkeiten ihres Kindes schildern. Die Maske fällt oft erst im Burnout, wenn der Stress so groß wird, dass er nicht mehr verborgen werden kann.
Überlebensmechanismen: Fantasie, Masking und Rollenspiel
Rollenspiele und Fantasiewelten sind oft Strategien des Nervensystems, um mit Stress umzugehen. Sie können mit den folgenden Reaktionen verbunden sein:
- Flight/Freeze: Rückzug in Fantasiewelten (auch durch Medienkonsum)
- Fawn: Anpassung und People Pleasing
- Funster: Der Clown spielen, um Unsicherheit zu überspielen
- Fib: Geschichten erfinden, um unangenehme Situationen zu vermeiden
Tipp: Spielerische Ansätze und kreatives Tun können dabei helfen, aus dem Überlebensmodus zu kommen. Wenn wir spielen und Spaß haben, sind wir im Hier & Jetzt und im Bereich der Regulation.
"Einige der Unwahrheiten, die meine Tochter erzählt, scheinen in ihrem intensiven Tagträumen verwurzelt zu sein – sie hat ein starkes Bedürfnis, zu kommunizieren und gehört zu werden, unabhängig davon, ob das, was sie sagt, real oder erfunden ist. Tatsächlich glaube ich, dass erfundene 'Fakten' für sie angenehmer sind, weil sie die Kontrolle über die Informationen behält und sich uns als das beliebte Kind präsentieren kann, das sie gerne sein möchte." (Sally Cat's Blog)
Herausforderungen mit der Selbstidentität
Durch das ständige Einnehmen von Rollen können bei PDA-Autisten Schwierigkeiten mit der Selbstidentität entstehen. Häufige Aussagen sind:
- "Ich weiß nicht wirklich, wer ich bin."
- „Ich fühle mich nur in meiner Rolle wohl.“
- "Ich bin nicht gut, so wie ich bin!"
- „Ich werde nicht akzeptiert, wie ich bin.“
Diese Unsicherheiten können langfristig zu Identitätskrisen führen, besonders dann, wenn das Masking durch Stress nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
soziale interaktion & masking
Masking ermöglicht vielen PDA-Autisten soziale Interaktionen, die sie sonst vermeiden würden. Dabei wird die eigene Identität häufig unterdrückt, um dazuzugehören. Der Grund dafür ist oft das Bedürfnis, dazuzugehören und eigene Herausforderungen zu verstecken. Dabei wird (oft unbewusst) die eigene Identität unterdrückt oder es werden eigene Grenzen übergangen.
- „Meine Maske reduziert meine soziale Angst.“
- „Durch Rollen kann ich mich besser mit anderen verbinden.“
- „Maskieren hilft mir, echte Gefühle auszudrücken.“
-
„Ich kann soziale Interaktionen imitieren, um nicht aufzufallen.“
Achtung: Masking ist oft ein automatischer Prozess und keine bewusste Strategie. Schon von Geburt an scannt das hochsensible Nervensystem die Umgebung nach Gefahren ab, und das Kind beginnt zu maskieren – lange, bevor soziales Lernen stattfindet. Eine Rolle zu spielen kann für PDA-Autisten (auch Erwachsene) völlig normal sein. Viele können ihre Maskierung nicht kontrollieren oder merken überhaupt nicht, dass sie maskieren.
Maskieren, um nicht aufzufallen
Internalisierte PDAer können große Angst davor haben, als „anders“ erkannt zu werden. Oft möchten sie nicht auffallen und setzen alles daran, dass ihre Maske oder Rolle nicht enttarnt wird. Sie verbergen ihre Gefühle und Schwierigkeiten und bitten nicht um Hilfe, wenn sie ein Problem haben. Unterstützung anzunehmen und sich verletzlich zu zeigen, kann für PDAer bedeuten, die Kontrolle zu verlieren.
Manche PDAer möchten keine „Sonderbehandlung“, die sie als anders kennzeichnet, und es belastet sie, als bedürftig behandelt zu werden (zB. Integrationsklasse, Schulbegleitung). Vor allem internalisierte (und ältere) PDAer benötigen sensible, respektvolle Unterstützung, die sie nicht negativ ins Rampenlicht stellt.
Warum Masking anstrengend ist
Masking erfordert enorme mentale und emotionale Energie. Viele PDA-Autisten berichten, dass sie nach sozialen Interaktionen lange Ruhezeiten benötigen, um sich zu erholen. Ein Zitat von Sally Cat verdeutlicht dies:
„Masking fühlt sich an, als ob ich ständig auf einer Bühne stehe. Es erschöpft mich, selbst wenn ich Zeit mit meiner engsten Familie verbringe. Das kann zusätzlich zu den unendlichen, täglichen Anforderungen der Grund sein, warum ich viel mehr Ruhezeit brauche als die meisten Menschen, um meine Batterien wieder aufzuladen.“ (Sally Cat's Blog)
Unmasking: Ist das die Lösung?
Die Forderung, Masken abzulegen, kann für viele PDA-Autisten belastend sein. Masking ist oft ein Teil der eigenen Identität, und das bewusste „Unmasking“ wird als traumatisch
empfunden.
„Meine Maske ist für mich natürlich. Der Versuch, sie abzulegen, fühlt sich an, als stünde ich nackt in der Öffentlichkeit.“
„Autistische Menschen sprechen oft davon, ihre Masken abzulegen, als ob das gut und einfach wäre. Für mich ist das wirklich nicht gut oder einfach. Der Versuch, meine Maske abzulegen,
erfordert enorme Anstrengung und fühlt sich traumatisch an – es ist ein bisschen, als stünde ich nackt vor dem Supermarkt.“
„Mein persönlicher Komfort liegt darin, meine Verletzlichkeit zu maskieren. Eine Pause von meiner Maske einzulegen, ist anstrengend und unangenehm.“
„Mein ganzes Wesen ist darauf ausgerichtet, zu maskieren. Ich glaube, dass dies für mich natürlich ist und nicht etwas, das ich ändern sollte, um 'besser dran' zu sein.“
Masking und Rollenspiel sind nicht „Fake“, sondern oft ein Schutzmechanismus, der PDA-Autisten das Überleben in einer Welt ermöglicht, die ihre Bedürfnisse nicht versteht. Schwierig wird es, wenn das Verhalten negative Auswirkungen auf das Umfeld (z. B. den Ehepartner) hat oder wenn die Maske durch zunehmenden Stress (z. B. durch eigene Kinder) nicht mehr aufrechterhalten werden kann und es zu einer Identitätskrise kommt.
Fazit: Fantasie, Masking und Rollenspiel als Stärke und Herausforderung
Für PDA-Autisten sind Masking, Fantasie und Rollenspiele nicht nur Überlebensstrategien, sondern auch Wege, um soziale Interaktionen zu ermöglichen. Diese Fähigkeiten sind jedoch oft mit einem hohen Energieaufwand verbunden und können langfristig Herausforderungen mit der Selbstidentität hervorrufen.
Wenn Masking und Rollenspiel als Erweiterung der eigenen Persönlichkeit akzeptiert werden, können sie eine wertvolle Ressource sein – vorausgesetzt die Nutzen übersteigen die Kosten.
Nächster Artikel in der Reihe „PDA verstehen“: Baby- und Kleinkindalter
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